Wien

 

Hofburg

Die erste Station wurde also Wien.

Im Großen und Ganzen war klar, dass das erste Ziel Wien werden könnte. Von hier aus wollte ich weiter planen. Ist Istanbul als Ziel zu schaffen? Faktisch ja. Aber es könnte eine zeitliche Herausforderung werden. Schließlich wollte ich ja nur 8 Tage wegbleiben. Und Wien ist irgendwie ein zentraler Angelpunkt als Bahnhof für die Reisen nahezu überall hin in Ost- und Südeuropa. Von hier aus könnte ich also noch überall hin fahren.

Die Anreise war mit über 13 Stunden Dauer erstmal recht anstrengend. In Nürnberg ging es zunächst nicht weiter, weil der Anschlusszug nach Wien (natürlich einer der DB) ausfiel: Klimaanlage funktionierte nicht (Anmerkung am Rande: in den Zügen der Österreichischen Bundesbahn, der tschechischen und polnischen Staatsbahn und bei den Ungarn gab es das nicht ein einziges Mal!!!).

Dies und die Enge der zweiten Klasse und das damit zusammenhängende Phänomen mit sehr unterschiedlichen Typen von Mitreisenden zusammengepfercht zu sein, ließ mich erstmal an der Richtigkeit dieser Inter Rail Idee etwas zweifeln. Aber das sollte sich in den nächsten Tagen legen. Und wenn man genügend Zeit hat, andere Mitreisende genauer zu beobachten (z.B. das junge Lehrerpaar aus St. Pöltgen), wirft man sehr schnell viele kurzsichtig entwickelte Vorurteile über Bord. Und das passierte mir nicht nur einmal. Bestes Beispiel dafür war sicherlich die Chinesin (oder etwas ähnliches), die kurz vor Büchen auf der Rückreise ziemlich penetrant (so empfand ich das jedenfalls) auf ihren ebenfalls asiatischen Gesprächspartner (der allerdings nichts sagte) auf Chinesisch einquasselte. Ich war schon leicht genervt (auch weil erkältet) und dachte so bei mir, was zum Teufel, denn diese ganzen Asiaten nur hier in Deutschland wollen? Dann hielt der Zug und ich schaute mich nach dem Bahnsteig um und die Dame beugte sich zu mir rüber und teilte mir im reinsten Norddeutsch mit: "Nö, das ist noch nicht Büchen". Alles klar soweit. Die Dame lebt hier. Und ich kam mir schon ein wenig doof vor (wenn ich das zum Glück aber auch für mich behalten konnte).

Aber zurück nach Wien. 

Alles in allem war die erste Fahrt ok - allerdings nehme ich beim nächsten Mal die erste Klasse für Inter Rail (jaha! Die gibt es da tatsächlich). So gegen 22.30 Uhr war ich dann in Wien. Anders als viele andere junge Inter-Railer konnte ich der Idee, auf dem Bahnhof zu übernachten nur wenig abgewinnen. Ein Hostel musste es auch nicht unbedingt werden (auch wenn die Grundidee der gemischten Schlafsääle durchaus einen gewissen Reiz entwickelt).

Aus Sicherheitsgründen fing ich schon im Zug an, die Optionen von Hotels um den Bahnhof herum zu checken. Aufs Geratewohl am ersten Abend loszulaufen, erschien mir dann doch etwas zu extrem. Aber ich hätte es durchaus mal machen sollen, denn um den Bahnhof herum (Rückseite!) sind einige große Ketten zu finden - wie z.B. Motel 1 - die ansprechend (und günstig) waren. Ich entschied mich im Zug für ein Hotel namens "Enziana", auch weil die Entfernungsangaben in Booking.com von 5 Minuten zum Bahnhof sprachen. Der Preis von 80,- Euro pro Nacht erschien mir akzeptabel. Allerdings waren die 5 Minuten vermutlich auf ein Auto bezogen und auch das war eher gewagt geschätzt. Alles in allem wurden es 30 Minuten Lauferei und die wären ohne die Segnung des Google-Map Navis nicht zu bewältigen gewesen (wie hat man das eigentlich früher gemacht?).

Das "Enziana" entpuppte sich als recht brauchbar. Keine Klimaanlage und ein recht lauter Innenhof. Aber sauber und einfach. Schwere klobige Holzmöbel im Blockhausstil, eine sehr rustikale Lobby aber das Frühstück war vom Feinsten. 

Und da mir die 13 Stunden doch etwas in den Knochen steckten und ich am Folgetag erstmal chillen wollte, ehe ich anfing zu überlegen, wie es weitergehen könnte, buchte ich zwei Übernachtungen. Alles kein Ding. Ausgebucht war auf der Tour nicht ein Hotel. 

Zum Essen gehen war es zu spät, aber die Kioske hatten auf und da konnte ich mir noch Wasser und eine Dose "Gösser Radler" besorgen. Besser als Essen.

Und trotz der Hitze schlief ich relativ gut und vor allem schnell ein.

Das Frühstück am nächsten Morgen (ich war natürlich um 6.30 Uhr da!) überraschte mich wirklich. Super Klasse.

Es sollte ein sehr heißer Tag in Wien werden, mit bis zu 42 Grad. Das hielt mich aber nicht davon ab, über den Tag über 22 Kilometer zu latschen. 

Tatsächlich war die Innenstadt nicht weit weg vom Rennweg (der allerdings ordentlich lang ist). Und so war das Zentrum - wenn auch mit Hilfe von Google - leicht zu finden. Ich fing mit dem Turm des Stephansdoms an, der bis 1953 als Wach- und vor allem Feuerturm genutzt wurde und entsprechend rund um die Uhr mit Beobachtern bestückt war, die dort sogar lebten. Ein recht hoher Arbeits- und Wohnplatz, der mit 343 Stufen ordentlich zu erklettern war. Und das bei den Temperaturen. Aber die Sicht auf Wien - auch wenn sie nicht so spektakulär dort ist - war schon toll.

Neu für mich war am Desider Friedmann Platz (Innere Stadt), im ehemaligen Judenviertel (die Gegend nennt sich aufgrund der Kneipendichte heute "Bermudadreieck") ein Gedenkstein, der an eine Attentatsserie am 02.11.2020 erinnerte, die hier ihren Ausgangspunkt fand. Ein religiös motivierter Albaner fing hier einen Amoklauf an, mit vier Toten und sehr vielen Verletzten.

Nach entsprechenden Pausen u.a. in einem sehr gemütlichen Beisl nicht weit weg vom o.g. Platz (natürlich mit "Gösser Radler" - übrigens 2 % Alkohol) entschied ich dann am Nachmittag, doch noch das "Literaturmuseum" zu besuchen. Es gab dort eine "Stefan Zweig" Ausstellung, die mich interessierte. Ich muss gestehen, dass mir nicht klar war, dass Zweig Österreicher war, geboren 1881 in Wien. Hat mir sehr gut gefallen. Gut aufgebaut um die umfangreichen Werke seiner Schaffenszeit. Ein wesentlicher Blick wurde natürlich auf das 1927 geschriebene Werk "Sternstunden der Menschheit" geworfen (das ich mir gleich bei Amazon zog und fast noch in Österreich durchgelesen hatte). Ab 1933 machten dann die Nazis Zweig das Leben mehr als schwer und waren im Grunde auch verantwortlich für seinen Tod. Auch der Rest der Ausstellung auf nochmal drei Etagen war interessant. Fast alles zeitgenössische Literatur des 18. bis 20. Jahrhunderts. 

Nach einer notwendigen Pause in meinem doch ziemlich warmen Hotelzimmer, machte ich mich am Abend nochmal auf und besuchte den Botanischen Garten der Universität (der allerdings um 18 Uhr schon zu machte) und wanderte den Bereich des Schloss "Belvedere" ab. Dort war ordentlich - wie in der ganzen Stadt - was los. Überall Konzerte und Aktionen und viele Menschen unterwegs. 
Am Belvedere unten am Rennweg fand ich dann auch einen Biergarten, in dem ich mir ein paar "Eier-Nockerln" zog. Das einzige vegetarische Menü auf der Karte. Lecker.

Am Abend beschloss ich dann, am nächsten Tag nach Budapest zu fahren und von dort aus zu überlegen, wie man dann weiter kommt nach Istanbul. Inzwischen bin ich auch mit der App weitergekommen und konnte Züge finden und gleich buchen. Kein schlechtes System. Auf dieser kurzen vierstündigen Strecke dachte ich noch auf eine Reservierung zu verzichten (was dann doch nicht so funktionierte).

Also der Einstieg mit Wien war es schon mal wert. Gut gefallen.