Warschau

Das sogenannte "Zentrum" von Warschau um den Hauptbahnhof


Nun ja, Warschau hat mich entgegen meinen Erwartungen jetzt doch nicht so gekickt. Irgendwie fehlte mir da was. Die Stadt war optisch zerrissen und wirkte auf mich fast schon seelenlos. Die "Hotspots" waren häufig als solche gar nicht zu erkennen. Jedenfalls für mich. So bin zum Beispiel an der Altstadt am Morgen - total leer dort - vorbeigelaufen, ohne sie als solche zu erkennen. Diese wieder aufgebaute Altstadt - ein Aktion, die allerdings einen sehr wichtigen Grund hat - hat eher etwas von einem Freilichtmuseum und der Fluss der Stadt wirkte auch irgendwie deplatziert und weniger als Anlaufpunkt im Sommer, wie in anderen Städten. Vielleicht war ich aber auch schon durch die sich anbahnende Erkältung, die ich mir im Zug nach Warschau eingefangen habe, etwas neben der Spur, um Warschau richtig einordnen zu können. Wer weiß.

Die zehn Stunden Fahrt von Prag nach Warschau waren zunächst einmal aber schon grandios. Und das auch schon wegen des altmodisch wirkenden Wagons, in dem alle Fenster geöffnet werden konnten - und dem entsprechend auch offen waren. Der Durchzug - bei der Hitze an sich nicht unangenehm - war schon enorm und sollte zwei Tage später Folgen bei mir zeigen. Dabei hätte die Klimaanlage durchaus funktioniert. Und diese Art Wagon war auch der einzige seiner Art. Alle anderen waren moderner und hatten nicht zu öffnende Fenster und (funktionierende) Klimaanlagen. Ich fand die Atmosphäre am offenen Fenster aber super und wollte gar nicht wechseln. Außerdem war die Stimmung im 6er Abteil durchaus interessant. Auch wenn die Mitreisenden alle sehr stumm blieben.

Die Fahrt verlief also sehr entspannt und vielseitig. Es gab einiges zu sehen. Auch wenn ich die 5malige Ein- und Ausfahrt aus und in den noch tschechischen Bahnhof Bohumin nicht verstanden hatte. Jedes Mal kamen wir auf einem anderen Gleis wieder rein (zum Glück hatte der Bahnhof genügend Gleise). Vermutlich wurde die Lok gewechselt und vor allem umgehängt - oder so? Aber das verlängerte die Fahrt nur unwesentlich, so das ich relativ pünktlich gegen 17 Uhr in Warschau ankam.

Der Hauptbahnhof in Warschau ist wirklich gewaltig. Und der größte Teil davon auch noch unterirdisch. Die Orientierung fällt im ersten Moment schwer in diesem katalytischen Orkus. Und wenn man es mal nach oben geschafft hat, wird man von vielen Hochhäusern umzingelt, die an vier gewaltigen Straßen stehen. Offiziell bezeichnet sich dieser Teil als das sog. "Centrum". Aber der Stadtplan von Warschau ist sehr großzügig mit dieser Bezeichnung. Denn ein "Centrum" findet man noch an verschiedenen anderen Stellen. Und sehenswert ist diese kalte und unpersönliche Ecke auch nicht. Ganz im Gegenteil. Nichts, was in irgendeiner Form zu Verweilen einlädt. Kalter Stahl und noch mehr Glas, kein Grün und viel Verkehr., wenige Menschen, die zu Fuß unterwegs sind. Aber dafür viele flimmernde Werbeplakate. Zum Glück entdecke ich in der Nähe das vertraute "Hampton Inn" Schild an einem Hochhaus. Zumindest das machte die Orientierung leichter. Für zwei Nächte hatte ich mich für ein "Hampti" entschieden. 

Ich frische mich im meinem durchaus großzügigen Hotelzimmer etwas auch und mache mich dann doch nochmal auf den Weg - auch wenn mir nach diesem ersten Eindruck etwas der Elan dafür fehlte. Inzwischen begann es auch zu dämmern. Die untergehende Sonne verhalf zumindest den Hochhäusern noch zu etwas Flair. Aber die dann einsetzende Dunkelheit gab der breiten Straße, der ich - wie ich vermutete - in die Richtung der Innenstadt folgte (die - wie ich am nächsten Morgen feststellte - noch sehr weit von meinem jetzigen Standort entfernt war) noch weniger Eleganz, als bei Tageslischt. Im Gegenteil. Zweimal wurde ich direkt angesprochen, ob ich mit in die "Prinzessinnen-Bar" möchte oder vielleicht doch gleich mit aufs Zimmer. Nein, wollte ich nicht. Keine der Seitenstraßen brachte mich auch nur annähernd in die Nähe von etwas, bei dem ich mich noch eine Weile aufhalten wollte. Das einzige Gebäude, welches mir etwas gefiel, war der von Stalin 1953 gestiftete "Kulturpalast", den die Polen nun so gar nicht mögen. Aber gerade dieser bunt angestrahlte Palast im "Zuckerbäckerstil" zeigte wenigsten etwas Eleganz.

Ich kehrte bald um und versorgte mich noch in einem der rund um die Uhr offenen Supermärkte am Hotel mit einem Sandwich und beendete diesen langen Tag. 

Am nächsten Morgen zeigte zumindest das Frühstück im Hampti etwas Größe. Im wahrsten Sinne des Wortes. Das war wohl die "Mutter aller Hotelfrühstücke". Ein derartig überbordendes Hotelfrühstück hatte ich noch nie gesehen. Unbeschreiblich, vielfältig und sehr lecker. Und - was ich in diesem Moment noch nicht wusste - ich konnte es am nächsten Morgen noch nicht einmal zum zweiten Mal genießen, da es mir da schon richtig schlecht ging.

Der Tag begann sehr grau - zum ersten mal in den Tagen. Ab dem frühen Nachmittag sollte es regnen. Ich fand den Eingang zur Metro. Diese ist allerdings wirklich beeindruckend. Nur zwei große Linien - aber mit vielen imposanten Stationen und vor allem bringt sie einen wirklich in die Nähe dessen, was sich Altstadt nennt. Das Tagesticket war auch sehr günstig zu bekommen - darf aber nur nicht in die Nähe eines Handys gelagert werden. Das killt nämlich den dünnen Magnetstreifen auf der Rückseite. Und an der Altstadt lief ich daran erstmal komplett vorbei, obwohl ich schon mitten drin war. Aber sie war für mich einfach nicht als solche zu erkennen. Also lief ich noch weit um den äußeren Ring der Stadt herum, vorbei an der völlig gesichtslosen und wenig inspirierend in die Umgebung eingebundenen Weichsel. Über die nationale Münze fand ich zu einem Holocaust Denkmal und darüber dann immerhin zur Gedenkstätte für die Ermordeten des Holocaust. Aber - passend zur Stimmung - war das daran angegliederte Museum (weshalb ich eigentlich nur hier her gekommen bin) am Dienstag zu. Na gut, dafür kann niemand etwas - aber Pech war es schon. Immerhin fand ich dann über die recht guten Ausschilderungen den Weg in das, was hier die "Altstadt" genannt wird. Vielleicht war meine Stimmung einfach nicht gut, aber auf mich wirkte alles seelenlos und leer. Künstlich. Das Lebendigste war noch ein überdimensionales Bierglass, welches die Touristen ansprang. Aber selbst von denen (also den Touristen) gab es hier nur wenige.

Ich besuchte, um überhaupt irgendetwas von der Stadt zu lernen) das "Museum der Stadt Warschau". Das basierte zwar vor allem auf Zahlen, mit denen die unterschiedlichen Epochen verglichen und dargestellt wurden (besonders gruselig: die Jahre, in denen die Nazis hier wüteten und damit die Einwohnerzahl fast auf unter 100.000 gebracht hatten). Aber gerade das war sehr interessant gemacht. Besser als unzähligen Tonscherben auf den weiteren Stockwerken. Ganz oben wurde man dann noch mit einem Blick über die Altstadt belohnt. Der machte es dann aber trotzdem nicht besser. 

Ich weiß schon gar nicht mehr ,wie es dann weiter ging. Ich war dann noch auf der Suche nach dem ehemaligen Ghetto - oder zumindest was davon noch übrig geblieben war. Ich fand es dann in der Nähe von Stalins Hochhaus. Aber übrig war natürlich nichts. Wie auch. Aber außer einer kleinen - kaum leserlichen - Stele und einem Stahlband im Boden auf dem in verschiedenen Sprachen stand, dass hier das Warschauer Ghetto stand, war dazu nicht zu finden. Da war das Denkmal für den "Warschauer Aufstand" (1944), der 1 Jahr nach dem legendären Aufstand im Warschauer Ghetto stattfand, schon deutlich größer ausgefallen.

Ich überspringe den Rest. 

Inzwischen ging es mir schon richtig übel. Halsweh und Mattigkeit umfing mich. Ich trotte zurück zum Hotel und besorgte mir noch ein Sandwich. Am Abend fuhr ich dann doch nochmal in die Altstadt, um zu sehen, ob die Stimmung Abends etwas besser wird. Ja, wurde sie. Warschau ist wirklich eine sehr junge Stadt und die jungen Menschen brachten Bewegung in die Straßen.

Aber mich packte das alles nicht mehr. Ich fuhr zurück ins Hotel, überstand die üble Nacht gerade so und machte mich todmüde und schwer erkältet früh morgens auf zum ersten Zug in Richtung Deutschland. Christina holte mich dann am späten Nachmittag in Büchen ab.

 






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