Prag

 

Karlsbrücke vom Kampa-Park aus

Im Sommer, bei milden Temperaturen ist Prag einfach nicht mehr zu toppen. Wer diese Stadt noch nicht gesehen hat: Hinfahren!

Klar, die Altstadt in Richtung Karlsbrücke vom Altstädter Ring und der bekannten Rathaus Uhr aus, ist praktisch zu jeder Tages- oder Nachtzeit überfüllt. Aber schon ein paar Meter links oder rechts davon entspannt sich die Lage. Und Prag hat noch mehr Stadtbrücken, von denen die Sicht einfach atemberaubend ist.

Nachdem ich am frühen Abend in Prag ankam, versuchte ich erstmal eine Reservierung für den nächsten Zug am Sonntag zu bekommen. Ein ziemlich naives Vorgehen, wie mir bei Schalterbeamter zu verstehen gab. Am Wochenende sind alle Züge von und nach Prag komplett ausgebucht. Für Montag hätte er dann wieder Reservierungsmöglichkeiten für Züge nach Warschau. Und so beschloss ich kurzerhand, noch den Sonntag in Prag zu bleiben und mir die Stadt anzusehen. Eine ziemlich gute Idee, wie sich dann herausstellen sollte.

Aber erstmal war ich etwas verschnupft, weil der Plan sich Warschau länger anzusehen, nicht aufging. Und auch mit dem diesmal vorab gebuchten B+B in Florenc war ich  zunächst nicht so einverstanden. Statt fünf Minuten vom Bahnhof Entfernung, wurden daraus dann fast 30 Minuten (und ohne Navi nicht zu finden). Der Stadtteil gefiel mir dann auf den ersten Blick auch nicht so besonders. Neben den in diesen Stadtteil noch durchaus renovierungsbedürftigen Häusern, sorgte auch der Busbahnhof für die  Fernreisen nicht unbedingt für eine Aufhellung der gesamten Stimmung. Völlig verwirrte Raser, die ihre Boliden unbedingt mit 150 Km/h durch die Stadt gleiten lassen wollten (und dabei fast die Kontrolle verloren) und der einzige - wenn auch recht nervige - Anbettelversuch (den ich allerdings durch übelste Beschimpfungen auf Deutsch abwehrte - übrigens gar nicht so übel, wenn man mal Dampf ablassen möchte), sorgten zunächst mal für eine "Naja-muss-ja-nicht-alles-klappen-Stimmung".

Aber das löste sich noch an diesem Abend auf. 

Das B+B war an sich völlig ok. Sauber und großzügig. Ja, dass Frühstück am Morgen gehörte nicht unbedingt in die "Was-alles-für-mich?-Kategorie". Reichte aber auch aus. Neu war mir dabei allerdings der 6-stellige Nummerncode, mit dem man ins Zimmer reinkam. Kein Schlüssel mehr!

Und dann eben Prag am Abend. Überfüllt natürlich und trotzdem großartig. 

Das Hotel lag einen knappen Kilometer von der Altstadt entfernt. Was auch für das B+B spricht. Und selbst Florenc wirkte am nächsten Tag nicht mehr so unangenehm. Und um die Ecke vom Hotel fand sich auch noch ein wirklich guter Supermarkt ("Albert"). Passte also.

Seltsamerweise kam mir die Gegend irgendwie bekannt vor. Jedenfalls der Teil mit der Straßenbahn kurz vor dem Busbahnhof (mit der ich aber nicht fuhr). Könnte es sein, dass wir bei unserer Klassenreise 1983 hier irgendwo unser Hotel hatten? Leider gaben meine Aufzeichnungen (ich schreib mir doch sonst alles auf?) darüber nichts her. Ich fand nur eine "Karte" vom "Interhotel Ambassador Praha" - aber das schien mir nur eine Zugangskarte zu einer Bar gewesen zu sein. Was passen könnte, denn der heutige Nachfolger dieses Hotels liegt am Wenzelplatz. Interessant war aber, dass der 0,3 Liter Bier damals 5 Kronen, statt der heutigen 31 Kronen kostete. Eine durchaus akzeptable Preissteigerung in fast 40 Jahren.

Ich checkte also am Abend nochmal Distanzen und Richtungen und nahm mir vor, am nächsten Tag den Hradschin genauer anzusehen. Woraus natürlich nichts wurde, da ich den Plan am nächsten Tag doch wieder änderte.

Nach einer sehr ruhigen Nacht genoss ich das völlig ausreichende Frühstück, wunderte mich ein wenig über die teilweise recht rustikal wirkenden Gäste und machte mich relativ früh am Sonntag auf, die Stadt zu erobern. Bei übrigens wieder knapp an die 40 Grad Temperatur (auch wenn es am Abend zuvor mal ganz leicht geregnet hat).

Auf dem Weg durch die um diese Zeit schon recht volle Altstadt zur Karlsbrücke fiel mir auf, wie intensiv die alten Gebäude in Prag restauriert wurden. Und das nahezu überall. Allein in der Neustadt, wo ich am späten Nachmittag unterwegs war, fanden sich noch "alte" Gebäude. Und noch etwas fiel sehr deutlich auf: Es gab nahezu KEIN offizielles Gebäude, welches sich nicht solidarisch mit der Ukraine zeigte, in dem es ukrainische Farben oder Banner auf hing ("Putin, Finger weg von der Ukraine"). Getoppt wurde das nur noch von den Polen in Warschau und deren solidarische Hilfe für ukrainische Flüchtlinge, die mir im dortigen Bahnhof auffiel.

Ich arbeitete mich also den Burgberg hinauf und beschloss dort - statt mir den Hradschin mal von innen anzusehen - den Schildern weiter hoch zum Aussichtsturm Petrin zu folgen. Der adrett in rosa beleuchtete Turm war mir am Abend zuvor aufgefallen. Und trotz der Hitze war mir gerade danach, noch etwas weiter nach oben zu laufen und mal nachzusehen, was das für ein Turm ist.

Es stellte sich heraus, dass dieses Gebiet namens "Petrinske Sady" ein Naherholungsgebiet für die Prager ist, die dort gerne im Rosengarten, am besagten Turm und im Observatorium und noch einigen anderen Ablenkungen ihren Sonntag verbringen. Aber das Gebiet war groß und alles verlief sich wunderbar. Überrascht stellte ich fest, das eine Zahnradbahn den Weg nach oben doch deutlich erleichtert. Eigentlich wollte ich ja wieder zu Fuß zurück (und im Kloster etwas weiter unten den Biergarten für einen Zwischenstopp nutzen). Aber die Fahrt für 60 Kronen reizte mich doch.

Zuvor chillte ich aber noch bei zwei Glas "Limonade" (süß und mit 75 Kronen auch sündig teuer - aber passt schon und half). Und natürlich konnte ich mir die 60 Meter auf den oben beschriebenen Aussichtsturm nicht verkneifen, trotz der 150 Kronen. Aber die Aussicht auf Prag von dort oben war es wert. 

Die entzückende Standseilbahn ("Nebozizek") brachte mich dann in die Unterstadt, auf eine der Hauptstraßen oberhalb des Kampa-Parks, den ich am Nachmittag nochmal besuchen sollte. Ich lief sie bis zum Tschechischen Senat und dem vermutlich "Waldsteinpalais" ab, wo ich rechts abbog zur "Manesuv Most" - einer Brücke parallel zur Karlsbrücke, von der man aus einen ziemlich guten Blick auf das dortige Gedrängel hatte. Die Brücke führte direkt in das ehemalige Judenviertel und den dortigen Friedhof (den ich mir allerdings schenkte, da der Eintritt umgerechnet 21 Euro betrug). Statt dessen machte ich mich durch diesen hervorragend renovierten Stadtteil auf in Richtung Florenc, da ich - es war schon 15 Uhr - ein wenig chillen wollte und dringend was Kühles brauchte ("Albert" half da weiter - die tschechischen Mischgetränke im Stil von Gösser sind allerdings grenzwertig und überflüssig, wie ich dann am Nachmittag feststellte). 

Nach einer kurzen Ruhepause im Hotel machte ich mich gegen 17 Uhr nochmal auf, um die Randgebiete der Innenstadt zu erkunden, vor allem die Ecke links vom Wenzelplatz. Und auf der Hauptstraße "Narodni" fand ich dann die erste Bierschwemme in Prag. Kleine Ablagen an der Wand, keine Restauration, nur ein kleiner offener Raum,  in dem pausenlos Bier in Gläser (!) ausgeschenkt wird. Pilsener, um genau zu sein. Und dort ist eigentlich dauernd etwas los, ohne das man lange warten muss. Kaum betritt man den Raum, wird auch schon gezapft. Sonderwünsche ("Milchig, d.h. schaumig gezapft und, bitte nur 0,3") sind wohl eher ungewöhnlich. Man musste erstmal nach kleinen Gläsern suchen. Aber lecker ist das - vor allem bei der Hitze. Und mit 31 Kronen auch bezahlbar. Man trinkt sein Glas im Stehen aus, bringt es zurück und geht. Klasse.

Ich marschierte dann weiter in Richtung einer der Hauptbrücken von Prag, der "Most Legii", von der aus man einen tollen Blick auf die Altstadt und die drei kleinen Inseln um die Brücke herum hat. Sie führt rüber in den Kampa-Park, in dem am Sonntag Abend ordentlich was los ist. Viele Biergärten bzw. kleine Bierrestaurationen (viel Essen tun die Tschechen wohl eher nicht) und überall sitzt man recht zwanglos am Moldau Ufer oder auf dem Rasen und plaudert und trinkt Bier. Nette Atmosphäre. 

Und wie uns schon 2008 aufgefallen, zeichnen sich die Tschechen (ähnlich, wie die Polen) durch eine hohe Disziplin in Sachen Müll auf dem Boden aus. Findet man hier kaum bis gar nicht. Randnotiz: bekam ich bei einem Gespräch zufälligerweise mit, dass dies nur noch von den Japanern getoppt wird, die wirklich jede Form von Müll mit nach Hause nehmen und dort entsorgen, weswegen es in Japan angeblich auch keine (!) Mülleimer auf den öffentlichen Straßen gibt. Ob's stimmt?

Wie auch immer. Ich wanderte noch lange herum, hörte aber nach dem 2. Bier sicherheitshalber auf, telefonierte noch lange mit Christina ("Das geht ja!") und durchstreifte noch etwas die Altstadt und genoss Prag in einer lauen Sommernacht. 

Hier müssen Christina und ich bald mal (wieder) her. Wenn möglich im Sommer.